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Das Funkgerät | pexels.com/cottonbro studio

Das Funkgerät

Paul und Felix sind Freunde seit dem Kindergarten. Pauls Eltern haben ein erfolgreiches Unternehmen und Felix lebt bei seiner alleinerziehenden Mutter. Seine Mutter arbeitet als Reinigungskraft in einem vornehmen Haus. Dadurch, dass seine Mutter sehr viel arbeitet, kann Felix meistens tun, was ihm gefällt. Einzig die Hausaufgaben müssen fertig sein, wenn seine Mutter spät am Abend heimkommt. Ansonsten kann er fernsehen, so viel er will, und auch zum Supermarkt gehen, um sich was Süßes zu kaufen. Paul hingegen wird ständig „bewacht“. Er hat ein Hausmädchen, das sicherstellt, dass Paul das Haus nicht verlässt, alle Hausaufgaben fertig sind und er zusätzlich lernt. Außerdem muss Paul das ekelhafte Essen des Hausmädchens essen. Sie kann absolut nicht kochen. Wenn Paul das Essen nicht isst, darf er nicht die eine Stunde fern sehen, die seine Eltern ihm erlauben. Die beiden Jungs könnten nicht unterschiedlicher sein. Durch die Umstände können sie zwar außerhalb der Schulzeit keine Zeit verbringen. Durch ein Geschenk von Felix Oma können sie zumindest tratschen. Felix Oma hat ihm zu Ostern zwei Funkgeräte geschenkt. Am Anfang haben Pauls Eltern protestiert, denn sie heißen die Freundschaft zu Felix nicht gut. Paul darf nicht zu Felix und Felix nicht zu Paul. Eigentlich darf Paul gar niemanden zu sich einladen. Doch Paul hat so lange gebettelt und genervt, dass er das Funkgerät benutzen darf.

Es ist Weihnachten und Felix kommt vom Rodeln nach Hause. Da hört Felix seinen Freund in das Funkgerät brüllen. „Felix, wo bist du, ich brauche dich!“, ruft Paul. Felix läuft mit nassen Schuhen zum Funkgerät und antwortet: „Beruhig dich, ich bin da, was ist denn los?“ „Ich war frech und mein Vater hat mir zum ersten Mal in meinem Leben eine geknallt. Dabei hab ich nur gesagt, dass er nicht besser ist, als andere und er soll nicht so eingebildet sein.“ Paul heult ins Gerät. „Ich möchte weg von hier, ich halte es hier nicht mehr aus. Ich fühle mich wie dein Tiger im Zoo.“ Felix fühlt mit seinem Freund. Er muss Paul helfen, denn er kann nicht mit ansehen, wie sein Freund von Tag zu Tag trauriger wird. „Paul, hör zu. Du kennst doch den Stollen, der nicht mehr im Betrieb ist. In der Nähe des Kinos.“ „Ja“, erwidert Paul. „Dann schleiche dich raus und warte dort auf mich. Ich komme mit Schlafsäcken und etwas zu essen hin und wir übernachten dort.“ „Tolle Idee. Danke Felix.“ Felix weiß zwar nicht, warum er sowas vorschlägt, es ist saukalt draußen, aber Paul ist ihm sehr wichtig. Er war nie gemein oder überheblich Felix gegenüber. Deshalb muss Felix jetzt erst mal veranlassen, dass Paul sich wo verstecken kann. Schnell packt Felix alles ein, auch eine Taschenlampe und das Funkgerät.

Vor dem Stollen wartet Paul schon frierend. Rund um das Gelände ist die Weihnachtsbeleuchtung der Stadt angebracht. Immerhin ist es nicht stockdunkel, denkt Felix bei sich. „Hey, Paul. Geh rein, wir machen es uns gemütlich.“ „Ich weiß nicht, ob das bei der Kälte die beste Idee war. Aber mir ist auch nichts Besseres auf die Schnelle eingefallen“, sagt Paul. „Ja, mir auch nicht. Bei mir können wir nicht bleiben, weil meine Mutter sofort deine Mutter anruft.“ So setzen sich die beiden Jungen auf die Schlafsäcke und knabbern lustlos an den Chips, die Felix mitgebracht hat. Das Funkgerät liegt vor ihnen. Felix weiß gar nicht, warum er es eingepackt hat. Paul döst vor sich hin und Felix zählt die Fliegen, die über der Taschenlampe kreisen. Auf einmal krächzt das Funkgerät. „Hallo, hallo, Felix oder sonst wer. Hallo?“ Es ist Pauls Mutter. Paul selbst ist gerade wieder aufgewacht und sieht erschrocken aus. „Soll ich hingehen?“, fragt Felix. Paul überlegt lange. Dann nickt er vorsichtig. „Hallo Frau Wagner.“ „Felix, bist du das? Ist Paul bei dir?“ „Ja, Paul ist bei mir.“ „Wo seid ihr denn?“, fragt Pauls Mutter aufgeregt. „Das kann ich jetzt nicht sagen, Frau Wagner. Paul hat Angst, nach Hause zu gehen.“ „Was, wieso Angst, es ist doch …“ Kurze Stille am Apparat. Auf einmal ist Pauls Vater in der Leitung. „Sohn, es tut mir leid. Ich wollte dich nicht ohrfeigen. Im Prinzip hast du ja recht. Komm bitte nach Hause, dann können wir darüber reden.“ Paul reißt Felix das Funkgerät aus der Hand und sagt: „Papa, weißt du, was ich mir zu Weihnachten wünsche?“ „Was denn mein Junge?“ „Ich wünsche mir, dass ihr mehr auf meine Wünsche eingeht, dass ihr mich nicht immer einsperrt, dass ich auch mal spielen gehen darf. Mit Felix zum Beispiel. Ich fühle mich wie ein Tier in einem Käfig.“ Wieder unangenehme Stille im Funkgerät. „Mein Sohn.  Ich verspreche, wir finden zusammen einen Weg. Wir waren vielleicht etwas streng. Wir werden über alles reden. Wieso nimmst du nicht Felix mit und ihr zwei kommt heim.“ Beide Jungen blicken sich überrascht an. Nie durfte Felix mit zu Paul. „Okay, Papa, unter einer Bedingung. Du entschuldigst dich bei Felix.“ „Warum bei Felix?“ „Weil er einer der Personen ist, die du herabwürdigst und schlecht behandelst. Bei ihm fängst du an und dann machst du bei deinen Mitarbeitern weiter.“ „Was soll das heißen?“ Auf einmal übernimmt die Mutter das Funkgerät. „Ja, das wird er tun. Dafür sorge ich. Ihr Männer immer mit eurem sturen Kopf. Kommt heim Jungs. Felix, ich rufe deine Mutter an und sage ihr, dass du heute bei uns isst.“ Die Jungs strahlen. Vielleicht können sie diesmal sogar zusammen Weihnachten feiern, wer weiß.

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