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Die Zeichen | Pixabay.com/JillWellington

Die Zeichen

Peter ist schlecht gelaunt. Er wollte sich heute eine Smart Watch kaufen, aber der Laden hatte nicht die passende Farbe. Jeder hat jetzt so eine digitale Uhr und er will auch eine haben. Seine Frau Anna sitzt ihm gegenüber und liest ein Buch. Er versteht nicht, was sie an Büchern so toll findet.

„Schatz, was gibt es heute zu essen?“ „Das weiß ich noch nicht. Mir geht es heute nicht so gut.“ Wahrscheinlich ist sie noch beleidigt, weil Peter seine Wut über seinen Misserfolg an ihr ausgelassen hat. Anna hat ihm gesagt, dass dieser elektronische Schnickschnack nicht lebensnotwendig sei. Für ihn schon, denn er will nicht in der Firma als Versager dastehen. „Gut, dann gehe ich eben nochmal zum anderen Laden.“ Anna seufzt, aber sieht nicht von ihrem Buch auf.

Peter nimmt seine Jacke und geht aus dem Haus. Durch das Glatteis rutscht er vor dem Haus aus. Er steht fluchend auf, reibt sich seinen Hintern und setzt sich in seinen Kombi. Der Motor springt erst beim dritten Mal an. In letzter Zeit sind die Ansprüche von Anna und Peter sehr weit auseinander gegangen. Er möchte mit der digitalen Welt mithalten und sie weigert sich sogar, Social Media zu benutzen. Ab und zu äußert sie die Vermutung, dass Peter süchtig sei. Aber das stimmt nicht, er kann auch ohne den Kram. Peter ärgert sich, denn alle haben sich heute gegen ihn verschworen. Sogar die Ampeln, denn die sind alle rot. Der Laden sperrt demnächst zu und er hätte erst nach Weihnachten Gelegenheit, die Uhr zu kaufen.

Als er beim Laden ankommt, stellt der ältere Verkäufer die Werbeschilder gerade in den Laden und will zu machen. „Halt, bitte, ich müsste noch schnell eine Smart Watch kaufen. Sie ist für meine Frau zu Weihnachten, bitte.“ „Na, wenn das so ist, sehen wir, was wir für Ihre Frau tun können. Kommen Sie schnell rein. Ich möchte danach rasch nach Hause, denn meine Frau wartet mit dem Essen auf mich.“ Peter ist die Lüge etwas unangenehm. Er schiebt seine Bedenken auf die Seite und stolpert über die Schwelle in den Laden. Tatsächlich liegt in der Auslage die Smart Watch, die er haben möchte. Peter zahlt die Uhr und beim ersten Mal funktioniert die Kreditkarte nicht. Nachdem er es ein zweites Mal probiert klappt die Transaktion. Lächelnd nimmt er die Schachtel mit der Uhr und geht Richtung Ausgang.

Der Verkäufer ist aber in Plauderlaune und sagt: „Wissen Sie, meine Frau und ich sind schon fünfunddreißig Jahre verheiratet und tausende Geschenke später kann ich Ihnen aus Erfahrung sagen: Das schönste Geschenk ist es, Zeit miteinander zu verbringen. Meine Frau hat Krebs und wir genießen jeden Moment unseres Lebens zusammen.“ Peter fühlt sich ein wenig schlecht. „Das tut mir leid für Ihre Frau und Sie. Wiedersehen.“ „Besinnliche Weihnachten und viel Gesundheit!“, sagt der nette alte Mann, aber Peter hört es nicht mehr, denn er ist schon bei der Tür hinaus. Er dreht die Musik im Auto laut auf und strahlt über beide Ohren. Jetzt sind auch alle Ampeln grün.

Zu Hause angekommen, öffnet er die Haustür. Irgendwas stimmt hier nicht. Seine Freude ist schlagartig dahin. Er geht ins Wohnzimmer, wo er seine Frau vermutet. Anna sitzt zusammengesackt auf dem Sessel und das Buch liegt auf Ihrem Schoss. Er hastet zum Sessel und schüttelt sie sanft. „Schatz, alles in Ordnung.“ Keine Antwort. Er schmeißt die neue Uhr achtlos auf die Couch und versucht Anna zu wecken. Keine Reaktion. Aufgewühlt, wählt den Notruf und fühlt den Puls. Er ist vorhanden, aber sehr schwach. Peter gibt stotternd alle Daten durch und legt auf. Während er auf den Krankenwagen wartet, denkt er über die zahlreichen Hindernisse nach, bis er die Uhr endlich hatte. Während er seine Frau festhält und ihr über das Gesicht streichelt, denkt er auch an den Verkäufer mit seiner kranken Frau. Er hat die Zeichen ignoriert und die Botschaft kassiert. Diese Botschaft hat er jetzt verstanden, ein für alle Mal.

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