Eine Frage der Einstellung
Max und Sebastian sind Freunde. Sie sind sehr unterschiedlich, deshalb sind sie auch manchmal nicht einer Meinung. Es ist Silvester und die beiden gehen auf eine Party. Sebastian sagt: „Mein Weihnachten war eine Katastrophe, wenn jetzt Silvester auch schrecklich wird, bin ich froh, dass dieses Jahr zu Ende ist.“ „Aber, aber, so schlimm wird’s nicht werden“, beruhigt Max seinen Freund. Sie steigen gerade die zwei Stockwerke zu einer Wohnung einer Freundin hinauf. Oben angekommen läuten sie bei der Freundin. „Hallo Vicky, danke für die Einladung!“, sagt Max, als die Freundin die Tür öffnet. Die Party ist bereits im vollen Gange. „Gerne, wir haben uns ja alle lange nicht gesehen. Kommt nur rein!“ erwidert Vicky.
Die beiden Männer gehen in die geräumige, helle Wohnung ihrer Freundin. Es wimmelt von Menschen. Max und Sebastian mischen sich unter die Menge und trinken das eine oder andere Glas. Es wird getanzt und gesungen, gelacht und getrunken. Im hinteren Bereich wird ein Spiel gespielt. Kurz vor Mitternacht bittet Vicky alle Anwesenden, bereit für den Rutsch zu sein. Max und Sebastian stellen sich zusammen, beide mit einem Glas in der Hand. Vicky hat das Radio eingeschalten und ein Countdown läuft bereits. Es ist Mitternacht, die Gläser klirren, die Menschen umarmen sich. Max stößt mit Sebastian auf das neue Jahr an und sagt: „Ich denke, dieses Jahr wird ein hervorragendes Jahr. Ich hab das so im Gefühl.“ „Ach was, es wird genauso doof und anstrengend wie das Letzte.“ Antwortet Max mürrisch. „Na, wenn du so denkst, wird’s sicher nicht gut.“ Sebastian versucht, den Freund mit einem Lächeln aufzuheitern. Ein Pfff beendete das Gespräch.
Am nächsten Tag ruft Max seinen Freund an. Er hebt nicht ab, vermutlich schläft er noch. Die Zeit vergeht. Jeder geht seinem täglichen Geschäft nach. Max hat sogar mit einem Rubbellos einen Gewinn erzielt. Gerade genug, um sich ein neues Fahrrad zu kaufen. Als er dann mit seinem Drahtesel durch den Park fährt, stößt er mit einer jungen Frau zusammen. Max lädt die Frau als Wiedergutmachung zum Kaffee ein und zwei Wochen später sind die beiden ein Paar. Im April beschließt Max, seinen Freund zum Essen einzuladen. Max ruft Sebastian an und sagt: „Hey, alter Junge, willst du morgen zum Essen kommen.“ Sebastian sagt zu. Er wirkt niedergeschlagen. Da ist ein gemeinsames Essen sicher eine gute Idee.
Am nächsten Abend bereitet die neue Freundin, sie heißt Gloria, eine riesige Portion Spaghetti zu. Sebastian klingelt an der Tür und als Max öffnet, erschrickt er fürchterlich. Sebastian ist ein Schatten seiner selbst. Kaum Farbe im Gesicht und komplett abgemagert. „Oh weh, was ist mit dir passiert?“ „Hallo Max, lass mich erst mal hereinkommen, ja? Ich muss mich setzen.“ „Na klar, kommt ins Esszimmer. Das ist Gloria.“ Sebastian sieht verwundert hoch. Gloria gibt Sebastian die Hand. „Hallo Sebastian.“ Verwirrt geht der angeschlagene Freund zum Esstisch und lässt sich auf einen der Stühle fallen.
Nach einer unangenehmen Pause fängt Sebastian an zu sprechen. „Ach, Max, ich glaube, ich bin verflucht. Seit Silvester geht alles schief. Ich wurde krank und erholte mich zwei Wochen nicht. Meinem Chef hat das nicht gefallen und er kündigte mich. Danach warf mir meine Tochter an den Kopf, dass sie nicht mehr am Wochenende zu Besuch kommt. Zu guter Letzt habe ich gerade vorhin den Räumungsbescheid für meine Wohnung bekommen.“ Er fängt an zu weinen. Max versucht, ihn zu trösten, aber der Freund beruhigt sich lange nicht. Als er alle Tränen vergossen hat, ergänzt er: „Ich denke, mit meinem Spruch zu Silvester habe ich mein Schicksal besiegelt.“ „Aber Max, das ist doch Aberglaube.“ „Achja? Wie ist es dir seit Silvester ergangen?“ „Ähm …“ Max kann nicht antworten, denn seit Silvester ist alles besser als je zuvor. Sebastian senkt den Kopf. „Ich sage dir jetzt was, Sebastian. Mir ist es so gut ergangen, ich möchte mein Glück mit dir teilen. Du wohnst ab sofort im Gästezimmer, wir besorgen dir einen neuen Job und ich rede mit deiner Tochter. Und du änderst ab heute deine Einstellung. Heb den Kopf, mein Freund.“ Sebastian sieht Max in die Augen. Max sagt bestimmt: „Jetzt ist Schluss mit Selbstmitleid, jetzt geht’s vorwärts.“ Sebastian fällt Max um den Hals.
Gute Freunde zeigen dir nicht einfach den Weg, sie gehen ihn mit dir.Â
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